Unsachgemäße "Baumpflege" provoziert Baumverluste

In der gestrigen Ratssitzungvom 1.10.2020 stellte Ralf Gros zum Thema Aufastungen und Baumpflege in Lüneburg einen Fragenkatalog vor. Er führt aus, dass in Lüneburg bei einer genannten Gesamtzahl von 40.000 Bäumen im Zeitraum 2009/2010 bis 2018/2019 - 6.617 Bäume, also durchschnittlich jährlich 661 Bäume gefällt wurden. 2019/2020 waren es 734 Bäume, in der aktuellen Saison sind es bis heute rd. 630 Bäume. Es fällt auf, dass im Vergleich zu anderen Städten in Lüneburg vergleichsweise sehr viele Bäume gefällt werden. Durch eine unsachgemäße „Baumpflege“ sieht er Baumverluste vorprogrammiert.

02.10.20 –

Anfrage zu TOP Ö 29 der Ratssitzung am 1.10.2020

In Lüneburg wurden bei einer genannten Gesamtzahl von 40.000 Bäumen[1] im Zeitraum 2009/2010 bis 2018/2019 6.617 Bäume, also durchschnittlich 661 Bäume jährlich gefällt. 2019/2020 waren es 734 Bäume, in der aktuellen Saison sind es bis heute rd. 630 Bäume, die gefällt werden sollen. Es fällt auf, dass im Vergleich zu anderen Städten in Lüneburg vergleichsweise sehr viele Bäume gefällt werden. (LIste am Ende des Texts)

Interessant ist auch: Gibt man bei Google als Suchbegriff "Baumfällliste" ein, erscheint Lüneburg so häufig wie keine andere Stadt!

Die vorgenommenen Aufastungen bei noch sehr jungen Bäumen mit einem geringen Stammdurchmesser werden dazu führen, dass es zu einem verstärkten Ausschlag im Kronenbereich kommen wird. Der Nr. 128 der Baumfällliste ist zu entnehmen, dass eine Esche in der Neuen Torstr. mit 30 cm Durchmesser wegen Kopflastigkeit beseitigt werden muß. Das ist ein gutes Bsp. für eine in Mode gekommene aber fragwürdige Baumpflege.Insbesondere bei Sturmereignissen muss befürchtet werden, dass die übergroße Krone dem Wind eine große Angriffsflächen bietet und der Baum entwurzelt wird! Hier sind also Baumverluste durch eine unsachgemäße „Baumpflege“ vorprogrammiert.

Vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren im Stadtgebiet Lüneburgs im Vergleich zu anderen Städten erfolgten umfangreichen Baumfällungen und den alles andere als fachgerecht erscheinenden Aufastungen von Bäumen an den Straßen und Grünanlagen, wie ausgerechnet im Kurpark zur Herstellung eines weit über die vorgeschriebene Höhe eines Lichtraumprofils von 4,5 m Höhe, stellen sich Fragen, die der Verwaltung in Form eines Fragenkatalogs von mir schriftlich zugegangen sind.

- Sind die mit der Baumkontrolle befassten Mitarbeiter „FLL“[2]- zertifizierte Baumkontrolleure?

- In welchem Umfang und Turnus wird die Jungbaumpflege vorgenommen und wie und wo sind die Maßnahmen der Jungbaumpflege zur Erzielung eines Lichtraumprofils dokumentiert? 

- In welchem Umfang und Häufigkeit wurden seit 2012/2016  eingehende Untersuchungen von wem vorgenommen, die notwendig waren, weil nach der Baumkontrolle Zweifel an der Verkehrssicherheit und/oder den zu treffenden Maßnahmen geblieben sind?

 

- Über welche Fertigkeiten und Fachkenntnisse verfügen die Fachkräfte  – siehe Abschnitt 6 der FLL-Richtlinien. Sinngemäß gilt dies auch für Zweifel bzgl. der weiteren Vorgehensweise bei natur- und artenschutzrechtlichen Belangen, z. B. nach Auffinden von zu schützenden Lebensräumen (Habitaten) bei gleichzeitiger Feststellung erforderlicher baum- pflegerischer Maßnahmen.

 

- Sind die Ergebnisse der Kontrolle mit den Nachweisen von vorhergegangenen Kontrollen verglichen worden, um positive und negative Entwicklungen (z. B. Faulstellen) beurteilen zu können. Bitte Nachweise vorlegen.

 

- Sind Beschädigungen dokumentiert worden? Bitte um Nachweise.

 

- Welche Hilfsmittel werden bei der Baumkontrolle verwandt?

- Wie häufig werden Bäume kontrolliert? Bitte um Nachweise.

- Bei wievielen Bäumen wurden als Ergebnis der Baumkontrolle welche weitergehende Untersuchungen, in welchem Umfang welche baumpflegerische Maßnahmen nach der ZTV- Baumpflege,  wieviel Standortsanierungen und welche Maßnahmen aus Artenschutzgründen vorgenommen?

 

- Art und Umfang von Voruntersuchungen, z. B. Bodenanalysen zur Ermittlung der Nährstoffversorgung, Luft- und Wasserhaushalt, Wurzelsuchgräben.

- Sind die Schnitte (Schnittart gem. ZTV 2017 und Vorgängerversionen), Kronensicherungsmaßnahmen und sonstige Pflegemaßnahmen dokumentiert worden?

- In welchen Fällen kommt es zum Einsatz von motorbetriebenen Sägen und Freischneidern?

- In welchen Fällen und wie häufig wurden bisher Wurzelvorhänge angelegt?

- In wieviel Fällen wurde ein Bodenaustausch vorgenommen?

- In wieviel Fällen kam es zu einer Erweiterung des durchwurzelbaren Bodenraumes?

- In wie vielen Fällen wurden bodenverbessernde Hilfsstoffe eingesetzt?

 

 

 

- In wie vielen Fällen wurden Mykorrhizapilze zur Standortsanierung verwandt?

 

- Wer für die Verkehrssicherheit von Bäumen verantwortlich ist, selbst aber nicht über ent- sprechende Fachkenntnisse oder sachkundiges Personal verfügt, muss solche Kräfte hinzuziehen. In wieviel Fällen wurden Sachverständige herbeigezogen um eingehende Untersuchungen nachden Baumuntersuchungsrichtlinien vorgenommen?

 

- In wieviel Fällen wurden über die zuständige Naturschutzbehörde entsprechende Fachkundige (z. B. Fledermausberater, Hornissenberater) herangezogen?

- Welche Vorgaben nach § 1 Abs. 5 Geschäftsbesorgungsvertrag der Stadt Lüneburg mit der AGL (Abwasser, Grün vom 23.10.2015) macht die Stadtverwaltung in den unter den Spiegelstrichen genannten Punkten des Absatzes?

- Welche Pflegepläne und Pflegekonzepte wurde bisher erstellt?       

Wir können es uns einfach nicht leisten, im Schnitt pro Jahr fast mehr als 600 wertvolle Straßenbäume zu verlieren.Ein Trend, der sich auch negativ auf das Stadtklima auswirkt. Die im Durchschnitt seit 2009 jährlich ca. 180 - 200 Bäumenachgepflanzten Bäume reichen nicht aus, um diesem Trend  entgegenzuwirken. Schon jetzt hatten wir einen sehr trockenen Frühling. Die Extremsommer der letzten zwei Jahre zeigen, dass gerade in Großstädten Bäume und freie Grünflächen unverzichtbar sind.

Ralf Gros

 

Hamburg (ganzes Stadtgebiet, alle Bezirke): 950 Baumfällungen im Winter 2019/20:

https://hamburg.nabu.de/tiere-und-pflanzen/baumschutz/baumfaellsaison/28068.html

HH hat allein im Bezirk Harburg 74.000 Bäume an Straßen und in Grünanlagen!

Lübeck: 150 zu fällende Bäume im Winter 2018/19 = 0,15% des Baumbestandes von 98.000 Bäumen (ohne Waldbäume):

https://www.hl-live.de/text.php?id=126155

Oldenburg in Oldenburg (168.000 Einw.), nach dieser Liste nur 37 zu fällende Bäume (Stammumfang ab 80 cm), Liste vom 14. Februar 2020:

www.oldenburg.de/startseite/leben-umwelt/umwelt/gruenes-oldenburg/strassenbaeume-und-verkehrsgruen/baumfaellungen.html

https://www.oldenburg.de/fileadmin/oldenburg/Benutzer/PDF/43/434/Baumfaell_Liste_2020-02-14.pdf

Einzelheiten zu Oldenburg:

https://www.oldenburg.de/startseite/leben-umwelt/umwelt/gruenes-oldenburg/strassenbaeume-und-verkehrsgruen/baumfaellungen.html

 

Bremerhaven (113.600 Einw.): 91 zu fällende Bäume im Winter 2018/19 =

https://www.bund-weser-elbe.de/fileadmin/weserelbe/Themen_und_Projekte/Baumschutz/2018_2019_Baumfaellliste_Bremerhaven.pdf 

 

Hildesheim (ca. 100.000 Einwohner): 261 Baumfällungen im Winter 2019/20 (0,8 Prozent des Gesamtbestandes):

https://www.hildesheim.de/pics/medien/1_1578573134/Baumfaellliste_2019_2020.pdf.pdf

Weiteres aus Hildesheim (u. a. pdf-Dateien mit Baumfäll-Listen):

https://www.hildesheim.de/rathaus/buergerservice/aufgaben-von-a-z/baeume.html

Hameln (ca. 57.000 Einw.): 84 zu fällende Bäume im Winter 2018/19:

https://www.dewezet.de/region/hameln_artikel,-84-baeume-auf-der-faellliste-_arid,2504722.html

Tübingen (90.000 Einw.): 71 zu fällende Bäume im Winter 2019/20 (mit Stammdurchmesser über 30 cm): Ohne Adressierung

Für den Winter 2017/2018 waren 56 Baumfällungen von Bäumen mit einem Stammdurchmesser von mehr als 30 cm vorgesehen  https://www.tuebingen.de/gemeinderat/vo0050.php?__kvonr=9025

 

 

 


[1]lt. Verwaltung am 28.6.2019

[2]Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL)

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