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21.12.15 –
Michael Gaus erklärt am 21. Dezember 2015 im Lüneburger Kreistag die Entscheidung, die ÖPNV Leistungen für den Landkreis nicht neu auszuschreiben, sondern durch eine "Allgemeine Vorschrift" zu regeln:
"Sehr geehrter Vorsitzender, sehr geehrter Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen,
mehrere Parteien möchten einen Preiswettbewerb und sind deshalb für eine Ausschreibung der Verkehrsleistungen. Ich persönlich halte das für eine gute Idee.
Für den Landkreis Lüneburg ist es trotzdem nicht die beste Idee. Ich kann in der Lüneburger Situation sehr gut vertreten, anstelle des häufig ruppigen Preiswettbewerbs eine allgemeine Vorschrift zu erlassen mit dem anschließenden Genehmigungswettbewerb.
Ich möchte zunächst die unbestreitbaren Vorteile der Ausschreibung der Verkehrsleistungen darlegen. Schreiben wir die Verkehrsleistungen aus, so haben wir alle Möglichkeiten, eine hohe Qualität der Dienstleistung einzufordern. Wir geben vor, mit welcher Technik die Busse fahren, wir können auch vorgeben, dass in Nähe zum Einsatzgebiet der Busse ein Betriebshof mit Fahrern und Bussen vorzuhalten ist, um bei Fahrzeugausfällen schnell reagieren zu können.
Wir müssen vorgeben, dass der repräsentative Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Niedersachsen anzuwenden ist. Damit werden die Mitarbeiter des künftig agierenden Unternehmens sogar etwas besser bezahlt, als derzeit.
Vor allem können wir den Ideenreichtum der Bewerber einsetzen, um die vielfältigen Leistungen, die wir uns zur Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs wünschen, möglichst kostengünstig zu erhalten.
All das klingt gut, bei näherer Betrachtung erkennen wir in unserer Gruppe aber auch die Nachteile. Wir möchten daher ein bewährtes System beibehalten, dass uns nicht mit teuren Schwächen und Folgekosten überraschen wird, die wir im Moment nicht erleben müssen.
Ich schaue zunächst einmal auf die Mitarbeiter von KVG und VOG. Dort ist uns auch vom Betriebsrat versichert worden, dass der Haustarif zwar teilweise hinter den Leistungen des Spartentarifvertrags Nahverkehrsbetriebe Niedersachsen zurückbleibe, dass aber die im Haustarif festgelegten Arbeitsbedingungen , Nebenbedingungen und das Betriebsklima bei KVG und VOG gut und über Jahrzehnte bewährt seien. Die Mitarbeiter empfinden dies als wichtiger als formal mehr Geld.
Aus dem dem Linienverkehr naheliegenden Bereich des freigestellten Schülerverkehrs kenne ich die Kreativität einzelner Arbeitgeber, den hohen Tariflohn so zuzuschneiden, dass die Personalkosten trotzdem niedrig bleiben. Da wird den Fahrern gesagt, Eure Arbeitszeit beginnt erst, wenn Ihr den ersten Schüler aufnehmt, nachdem ihr das Fahrzeug übernommen und getankt habt. Übertragen auf den Linienverkehr ist das die Ablösung des Personals irgendwo auf der Strecke. Das machen KVG und VOG nicht. Ich finde das fair.
Zum Vergleich aus anderen Branchen: Alle, die in Büros arbeiten haben erlebt, dass die Vergabe von Reinigungsdienstleistungen mitten in Deutschland eine Spielwiese für Lohndumping entstehen ließ. Das wollen wir nicht.
Ich schaue auf den Wirtschaftsstandort Lüneburg. Wir haben in Lüneburg einen starken Standort der KVG und VOG in der Dahlenburg Landstraße. Dort arbeiten 300 Mitarbeiter. Sie warten 134 Fahrzeuge. Es handelt sich also um ein mittelständisches regionales Unternehmen. Und dieses Unternehmen – das ist ganz wichtig - bildet junge Menschen aus, derzeit 68, davon 25 in Lüneburg. Das ist keine Selbstverständlichkeit und das können wir auch keinem neuen Anbieter auferlegen.
In der Zentralwerkstatt Dahlenburger Landstraße werden die Busse gereinigt, gewartet und auch repariert einschließlich Karosseriearbeiten und Vollinstandsetzung. Wir können einen neuen Bewerber zwar verpflichten, irgendwo in Einsatznähe, das ist dann vermutlich im Kreisgebiet, einen Betriebshof mit Fahrern und Bussen vorzuhalten. Wir können ihm aber nicht vorschreiben, welche Arbeiten er auf diesem Betriebshof durchführen wird.
Es ist daher nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, dass der neue Betreiber Arbeiten aus Lüneburg abzieht, um seinen an anderer Stelle vorhanden Betriebshof oder seine dort beauftragte Vertragswerkstatt auszulasten. Das gleiche gilt für die Verwaltung. Dann müssen die Arbeitnehmer der KVG, die nicht als Busfahrer übernommen werden, schauen wo sie bleiben, der Rest muss pendeln oder zumindest weiter pendeln als bisher.
Ich schaue auf die Leistungen. KVG und VOG haben sich bemüht, mit Hybridbussen Anforderungen des Umweltschutzes auch im laufenden Vertrag zu erfüllen. Mir ist glaubhaft dargestellt worden- die Formulierung ist kein Misstrauen, aber ich bin erst seit Juni im Kreistag- dass die KVG sich dort jeweils sehr kooperativ gezeigt habe. Das hätte nicht sein müssen. Jeder der einen langfristigen Vertrag abschließt, weiß dass die Nachträge zu diesem Vertrag in besonderem Maße teuer sind. Ein anderer Anbieter nur für die nachträglichen Änderungen und Zusatzleistungen macht keinen Sinn, das weiß der Unternehmer und schlägt es gerne auf den Preis auf.
Der Markt richtet zwar alles, aber er richtet nicht alles im Sinne der Verbraucher, erst recht nicht alles im Sinne des Umweltschutzes. Wir haben das bei der Liberalisierung der Strommärkte erlebt, als Strom nur für die Erzeuger und die Händler an der Leipziger Strombörse, nicht aber für die Konsumenten billiger wurde.
KVG und VOG wissen, dass der Erlass einer allgemeinen Vorschrift kein Selbstläufer ist, sondern ein Vertrauensvorschuss, mit dem KVG und VOG sorgfältig umzugehen haben werden.
Die Entscheidung für oder gegen einen Preiswettbewerb lässt sich nicht an parteipolitischen Positionen festmachen, auch nicht vor einem Wahlkampf. Der CDU regierte Landkreis Stade hat sich für die allgemeine Vorschrift entschieden. Dort gibt es wie in Lüneburg einen größeren Standort der KVG.
Die Entscheidung für eine allgemeine Vorschrift ist daher für Bündnis 90/DIE GRÜNEN und unsere Gruppe kein Signal für ein gemütliches „weiter so“. Die allgemeine Vorschrift ist eine Verpflichtung, auch künftig umweltfreundliche, kundenfreundliche und barrierefreie Busse im Verkehr einzusetzen, und bei allen Dienstleistungen innovativ zu bleiben.
Wir wollen gerade Berufstätige zum Umstieg auf den Bus gewinnen. Es verändert sich viel im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs, die jungen Menschen sind heute viel eher als früher bereit, auf ein qualitativ gutes Angebot an Bussen und Bahnen einzusteigen, weil das Auto seine Bedeutung als Statussymbol verliert.
Wir werden bei der Erstellung des Nahverkehrsplans die Spielräume ausloten, die wir unter Berücksichtigung der finanziellen Grenzen haben. Wir wünschen uns die Gewinner des Genehmigungswettbewerbs wegen des mit der allgemeinen Vorschrift verbundenen Vertrauensvorschusses als konstruktive und aufgeschlossene Gesprächspartner. Wir sind zuversichtlich, dass Sie diese Erwartungen erfüllen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit."
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