Neues aus Bardowick

Zustimmung mit Bedingungen

Auf der BDK der Grü­nen in Ber­lin fass­ten die De­le­gier­ten nach einer kont­ro­ver­sen De­bat­te ei­nen Be­schluss zum End­la­ger­such­ge­setz. Zu­vor hat­te der Kreis­ver­band Lü­ne­burg ei­nen Ge­schäfts­ord­nungs­an­trag ge­stellt, um Jo­chen Stay von der An­ti-Atom-Ini­tia­ti­ve "aus­ge­strahlt" eine Gast­rede zu er­mög­li­chen.

29.04.13 – von Miriam Staudte

KV Lüneburg auf der BDKAuf der BDK der Grü­nen in Ber­lin fass­ten die De­le­gier­ten nach einer kont­ro­ver­sen De­bat­te ei­nen Be­schluss zum End­la­ger­such­ge­setz. Zu­vor hat­te der Kreis­ver­band Lü­ne­burg ei­nen Ge­schäfts­ord­nungs­an­trag ge­stellt, um Jo­chen Stay von der An­ti-Atom-Ini­tia­ti­ve "aus­ge­strahlt" eine Gast­rede zu er­mög­li­chen.

Miriam Staudte, Atompolitische Sprecherin der Landtagsfraktion betont, dass auch Bedingungen für eine Grüne Zustimmung gestellt wurden. "Die Mängelliste am Gesetz müsste allerdings noch länger sein." Sie kritisiert , dass im Beschlusstext, bereits von einer "ergebnisoffenen Suche nach dem bestmöglichen Standort" gesprochen wird.

Stefan Wenzels Rede auf YouTube

Jochen Stays Rede auf YouTube

 Der Beschluss im Wortlaut:

Kein Atommüll mehr nach Gorleben

Weg frei für Suche nach bestgeeignetem Ort und Lagerkonzept für hochradioaktiven Atommüll jetzt freimachen

50 Jahre nach dem Einstieg in die Atomenergie, nach über 30 Jahren Auseinandersetzungen um Gorleben, 12 Jahre nach dem ersten Ausstiegsgesetz und 9 Jahre nach der ersten Vorlage eines Endlagersuchgesetzes ist die Zeit reif für einen kompletten Neustart für die Suche nach einem Ort und Lagerkonzept für hochradioaktiven Müll in Deutschland.

Dass Gorleben als Endlagerstandort ungeeignet ist, haben die BIs, die Antiatombewegung, die Umweltverbände und wir Grüne schon immer betont. Bestätigt wurden wir in den letzten beiden Jahren durch die Ergebnisse des Asse-Untersuchungsausschusses in Niedersachsen und des Gorleben-Untersuchungsausschusses im Bundestag. Über 35 Jahre hinweg haben verschiedene Bundes- und Landesregierungen mit Hilfe von Rechtsbeugung und massivem Polizeieinsatz versucht, einen ohne Vergleich und ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durchgedrückten, ungeeigneten Standort gegen den Widerstand durchzusetzen. Unter Umgehung geltenden Berg-, Atom- und Planungsrechts wurden geologische Mängel des Salzstocks Gorleben, fehlendes Deckgebirge, Wasserwegsamkeiten, Laugen- und Gaseinschlüsse ignoriert. EndlagergegnerInnen sollten kurzerhand enteignet werden. Unter diese unrühmliche Geschichte einer Suche, die nie eine war, soll nun endgültig ein Schlusspunkt gesetzt werden.

Die Grüne Bundesversammlung hat am 18.11.2012  festgestellt, dass wir es in Gorleben mit einem geologisch ungeeigneten und politisch verbrannten Schwarzbau zu tun haben. Zugleich stellte die BDK fest, dass wer erwägt, Gorleben im Verfahren zu lassen, zugleich jeden Zweifel an einem ergebnisoffenen Verfahren und wirklich belastbaren Sicherheitskriterien ausräumen muss.

Dafür, dass Gorleben nicht Endlagerstandort wird, haben Antiatombewegung und Grüne jahrzehntelang gekämpft. Auch deshalb haben wir Grüne über anderthalb Jahre lang den Diskussionsprozess zur bundesweiten Endlagersuche gegen den Widerstand der alten Atomlobby innerhalb und außerhalb der Bundesregierung und gegen die Lethargie von zwei Bundesumweltministern am Leben gehalten. Den Weg dafür, dass auch Schwarz-Gelb und die Mehrheit der Bundesländer die Fixierung auf Gorleben als Endlagerstandort aufgegeben haben, hat der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann vor anderthalb Jahren mit seiner Zusage geöffnet, dass auch in seinem Bundesland nach möglichen Standorten gesucht werden kann. Der Diskussionsprozess zwischen Bund und Ländern wurde nach dem rot-grünen Regierungswechsel in Niedersachsen jetzt endlich zu einem Ergebnis geführt. Nach langen und zähen Verhandlungen haben sich Bund, Länder und die Bundestagsfraktionen von Grünen, SPD, CDU/CSU und FDP politisch auf einen ergebnisoffenen Suchprozess nach dem bestmöglichen Endlagerstandort für hochradioaktiven Atommüll geeinigt.

In einer Phase Null soll eine Bund-Länder Kommission, die zur Hälfte mit Vertreterinnen und Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppierungen besetzt wird Grundsatzfragen klären, die bislang der Regulierungsbehörde vorbehalten waren, Ausschlusskriterien und Sicherheitsanforderungen festlegen, Fehlentscheidungen der Vergangenheit bewerten und Vorschläge zur Evaluierung des Gesetzes machen. Bei der Novellierung des Gesetzes müssen auch die Ausschlusskriterien und Sicherheitsanforderungen  gesetzlich verankert werden. Es wird keine weiteren Transporte ins Zwischenlager Gorleben geben, wenn der Vorschlag rechtssicher umgesetzt wird. Die Erkundung des Salzstocks Gorleben, die von Schwarz-Gelb und der Atomlobby zum Schwarzbau ausgeweitet wurde um Fakten zu schaffen, soll ebenso beendet werden wie  die Sicherheitsanalyse. Auch ein Forschungslabor wird es dort nicht geben.

Eine weitere Grüne Forderung, der Castorstopp für Gorleben, wird deshalb möglich, weil sich die grün und rot regierten Länder Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein grundsätzlich bereit erklärt haben, Atommüll aus La Hague und Sellafield in die Zwischenlager ihrer AKWs aufzunehmen – eine Verantwortung für den gesamten Suchprozess, der sich die schwarz-gelb regierten Länder Bayern und Hessen entziehen wollen, obwohl ein großer Teil des Mülls RWE und damit dem Zwischenlager in Biblis zuzuordnen wäre. Wenn auch die CDU und die FDP glaubwürdig einen echten Neustart über alle Parteigrenzen hinweg anstreben wollen, sollten auch die schwarz-gelb regierten Länder ihre Blockadehaltung in der Frage um Castortransporte aufgeben und endlich den Weg dafür frei machen, dass die bundesweit beste Lösung für die Zwischenlagerung der Castoren gefunden werden kann. Die Verantwortung für den produzierten Atommüll ist eine bundesweite und nicht nur die der grün und rot regierten Bundesländer. Hier erwarten wir auch vom Bundesumweltminister, dass er auf die Länder einwirkt und das deutlich macht und eine rechtssichere Lösung für die Zwischenlagerung des übrigen Atommülls vorlegt.

Die Qualität des Neuanfangs bei der Endlagersuche ist bedeutend für das ganze weitere Verfahren. Ohne breite und umfassende gesellschaftliche Debatte über Auswahlkriterien und das Auswahlverfahren wird es keinen Konsens in der Endlagerfrage geben. Auf Initiative der rot-grünen Landesregierung Niedersachsen wird daher eine Kommission aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft bereits im Vorfeld von konkreten Beschlüssen diese Debatte organisieren. Sie wird das Standortauswahlverfahren vorbereiten und dem Gesetzgeber insbesondere Vorschläge für materielle, wissenschaftlich fundierte Standortkriterien und die Evaluierung des Standortauswahlgesetzes unterbreiten. Damit haben wir die Endlagersuche aus den Lobbyisten-Hinterzimmern, die noch über Morsleben, Asse und Gorleben entschieden haben – herausgeholt und in die Mitte der Gesellschaft gestellt.  Hier erwarten wir ein Bekenntnis aller Parteien, die Ergebnisse der Kommission anschließend auch in den Gesetzentwurf einfließen zu lassen. Auch muss die Kommission einvernehmlich besetzt werden, sodass sie einen breit getragenen, gesellschaftlichen Konsens in der Endlagerfrage auch erwirken kann. An der Formulierung des Standortauswahlgesetzes wird die Öffentlichkeit durch breit angelegte öffentliche Symposien und Anhörungen beteiligt.

Alle wichtigen Entscheidungen über die Auswahlkriterien, die Standorte der unter- und übertägigen Erkundung und den letztendlichen Standort sollen abschließend von den gewählten Abgeordneten und Regierungen per Gesetz in Bundestag und Bundesrat getroffen werden. So bekommt der Entscheidungsprozess eine hohe demokratische Legitimation.

Wir konnten darüber hinaus durchsetzen, dass betroffene BürgerInnen und Umweltverbändevor Beginn der untertägigen Erkundung vollen Rechtsschutz gegenüber allen getroffenen Entscheidungen haben. Auch dieser Punkt ist für die Akzeptanz einer Endlagersuche entscheidend.

Die Atomindustrie muss als Verursacher des Atommülls vollständig für die Kosten der Endlagersuche herangezogen werden. Standortsuche und –betrieb erfolgen in öffentlicher Trägerschaft.  Hier hängt die GRÜNE Zustimmung auch von der Bereitschaft der Verursacher ab, diese Kosten zu tragen. Wir werden genau prüfen, ob es der Bundesregierung gelingen wird, in dieser Frage eine rechtssichere Umsetzung zu erwirken und zu formulieren.

Auch mit der Forderung, dass es einen Export atomaren Mülls nicht geben darf, konnten wir uns durchsetzen. Eine bisher anderslautende Formulierung in der Novelle des Atomgesetzes zieht die Bundesregierung zurück.

Politisch ist damit der Weg für einen Neustart in der Endlagersuche möglich.

Eine Gesetzesberatung ist dann erfolgreich und trifft unsere Zustimmung, wenn

  1. eine rechtssichere Umleitung weiterer Atommülltransporte auf andere Zwischenlager gewährleistet ist
  2. eine einvernehmliche Verständigung über die Mitglieder der Kommission und der Geschäftsordnung der Kommission hergestellt werden konnte
  3. eine Sicherung hinreichenden Rechtsschutzes gegeben ist
  4. eine Prüfung aller Vorschläge, die sich in der Beratung des Gesetzes im Bundestag und im Rahmen der öffentlichen Anhörung ergeben hat.

Erwartungsgemäß versuchen die Atomkonzerne öffentlich mit dem Kostenargument Stimmung für ein Endlager in Gorleben zu machen. Wir werden aber nicht zulassen, dass Atommüll-Verursacher sich vor den Kosten der eigentlichen Endlagersuche drücken. Dagegen werden wir gemeinsam mit einer breiten kritischen Öffentlichkeit dafür sorgen, dass der politische Konsens zur bundesweiten Endlagersuche jetzt zügig und ohne Abstriche gesetzesfest gemacht und umgesetzt wird. Dazu werden wir einen transparenten Gesetzgebungsprozess mit umfassender Anhörung einleiten.

Mit einem ersten Beschluss über ein Endlagersuchverfahren geht die Standortsuche erst richtig los. Uns GRÜNEN ist bewusst, dass wir noch einen sehr langen Weg vor uns haben, bis ein bestgeeigneter Ort und ein bestgeeignetes Lagerkonzept mit einer breiten Akzeptanz gefunden wurden. Das Problem der Atommüllagerung ist mit diesem ersten Beschluss noch nicht gelöst. Wir werden deshalb diesen Prozess der Suche nach einem Endlagerstandort kritisch und aufmerksam begleiten.

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