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30.10.08 –
Sehr verehrte Vorsitzende, meine Damen und Herren
Armut untergräbt die Basis unserer auf sozialer Marktwirtschaft aufgebauten Gesellschaft, wenn nicht richtig und ehrlich damit umgegangen wird, weil sie ausgrenzt und Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen unmöglich macht.
Dass Armut weltweit ein die Gesellschaft bedrohendes Problem ist, wird den Menschen zunehmend bewusst. In diesem Jahr haben knapp 39 Mio. Menschen am Internationalen Tag zur Beseitigung der Armut ihre Stimme erhoben, 64% mehr als im Vorjahr.
Zum wiederholten Male - und damit werden wir auch nicht aufhören - fordern wir seit meinem Amtsantritt die Erfassung diverser Indikatoren, anhand derer ein Armuts- und Reichtumsbericht für Stadt und Kreis ermöglicht wird.
Der letzte Bericht des Landes Niedersachsen ist schon 3 Jahre alt und daher gibt es keine aktuellen Daten für unsere Region. Außerdem weist der Bericht aus 2005 Mängel auf, denn Angaben zur sozialen Entwicklung im Lande werden nur ansatzweise veröffentlicht.
Vernünftige Konzepte, die aktuelle Probleme eindämmen und darüber hinaus präventiv arbeiten können, basieren auf evaluierten Daten, die gerade auch soziale Entwicklungen in der Region mit einbeziehen.
Es gilt entsprechende Indikatoren zu erstellen, zu erfassen und zu beschreiben, die anhand eines Ist-Soll-Vergleiches Transparenz schaffen.
Aus dem jüngsten OECD-Bericht lässt sich ablesen, dass sich die Armut weltweit und auch in Deutschland weiterhin exponentiell ausbreitet, dabei geht die OECD von einer sehr eng gefassten Armutsdefinition aus: Als von Armut bedroht gelten alle Personen mit weniger als 50% des mittleren Einkommens im jeweiligen Land, wobei nicht der Mittelwert, sondern der deutlich niedriger liegende Median herangezogen wird.
Anfang der 90er-Jahre lag die Armutsquote in Deutschland noch ¼ unter dem OECD-Durchschnitt. Betrachtet man heute das Armutsrisiko in Haushalten, in denen keine Person arbeitet, weist Deutschland im OECD-Vergleich mit 40% die höchste Rate auf. Der OECD-Durchschnitt liegt bei nur etwa 30%.
Außerdem haben die Einkommensunterschiede seit 2000 enorm zugenommen, weil die höheren Einkommen überproportional angestiegen sind. Die Verteilung des Geldes ist in Schieflage geraten und dadurch wird die Schere immer weiter. Alleinerziehende und Kinder sind dadurch überdurchschnittlich von Armut betroffen.
Deutschland gehört ? und das ist sicher die alamierendste Zahl des Berichtes - zu den Ländern, in denen die Kinderarmut am stärksten gewachsen ist. Da Lüneburg gerade auch für Familien mit Kindern als Zuzugsgebiet gilt, betrifft das in verstärktem Maße unsere Region.
Gerade vor dem Hintergrund der derzeitgen Finanzkrise ist damit zu rechnen, dass sich früher oder später das Armutsproblem ausweiten wird, denn die Hauptursache für Armut ist die Arbeitslosigkeit, gefolgt von Scheidung und Tod des Partners.
Es gilt, Kinderarmut einzudämmen, den Niedriglohnsektor zu verringern und Arbeitsplätze zu schützen, soziale Ausgrenzung zu verhindern und den Sozialstaat zu stärken, da sind wir uns sicher fast alle einig.
Diese groß aufgehängten Ziele können und müssen wir auch auf der kommunalpolitischen Ebene angehen. Wir können es uns nicht leisten die Hände in den Schoß zu legen und darauf zu warten, was Land und Bund beschließen mögen: sinnvolle Wirtschaftsförderung, Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung, Ausbau der Schuldnerberatung, Vernetzung von Sozialräumen und Ausbau der Stadtteilarbeit sind mögliche Vorgehensweisen.
Armut macht auch vor den Türen Lüneburgs nicht halt. Es hilft da nicht, das Thema als Lappalie zu behandeln und mit dem Hinweis auf zu wenig Verwaltungspersonal wegzudiskutieren.
Lassen Sie uns endlich anfangen, uns ernsthaft mit dem Thema Armut auseinanderzusetzen und Daten und Fakten sammeln, damit wir als Bürgervertreterinnen und ?vertreter der Hansestadt Lüneburg überhaupt in die Lage versetzt werden, die Ausmaße der Armut hier vor Ort zu erfassen. Erst dann können wir gemeinsam mit allen Akteuren Lösungen finden und Konzepte entwickeln und umsetzen, die nicht nur Linderung verschaffen, sondern auch präventiv wirken.
Der Antrag der Linken ist daher zu unterstützen. Vielen Dank
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