"Wettbewerb um die grünsten Positionen"

"Es scheint ein Wettbewerb um die grünsten Positionen im Gange zu sein," stellt Fraktionssprecherin Petra Kruse-Runge in ihrer Haushaltsrede amüsiert fest und macht dann unmissverständlich klar, dass Positionen nicht reichen. Es muss auch gehandelt werden. "Bei aller Kompromissbereitschaft erwarten wir für 2021 deutlich mehr Kraftanstrengungen für einen echten Klimaschutzhaushalt." Die ganze Rede im Wortlaut.

29.01.20 – von Oliver J. Glodzei

Zu den Beratungen des Haushaltes im Kreistag hielt unsere Fraktionssprecherin, Petra Kruse-Runge, am Montag folgende Rede:

"Ich danke Herrn Mennrich und der Verwaltung für die vielen Extrasitzungen, die umfassenden Erläuterungen und ich denke, an der immensen Zahl der Anhänge zu diesem TOP ist leicht ablesbar, wieviele Diskussionen und Änderungen der erste Entwurf erfahren hat. Wir sind nicht ganz im üblichen Zeitplan, aber nun beraten wir doch endlich abschließend den Haushalt 2020.

Wir GRÜNE sehen sehr kritisch, dass trotz der akuten Klimakrise ein wirklich entschlossenes und tiefgreifendes Umsteuern noch nicht erkennbar ist.

Ja, es passiert einiges - aber ein Haushalt im Zeichen des festgestellten Klimanotstandes ist dies noch nicht!

Schauen wir also einmal genauer hin.

Wir sehen natürlich mit einiger Befriedigung, wie sehr die anderen Fraktionen nach und nach auf die von uns angeschobenen Grünen Themen einsteigen. Wir haben es eben gehört - es scheint ein Wettbewerb um die grünsten Positionen im Gange zu sein.

Wir freuen uns, dass im Bereich Mobilität Schritte in Richtung Verkehrswende unternommen werden.

Hierunter fällt z.B. das Schülerticket für die SEK II, welches wir kostenfrei beantragt hatten. Der jetzt ersteinmal gefundene Kompromiss von nur noch 15 € Eigenbeteiligung ist tragbar, und wir werden im Laufe des Jahres sehen, wie es angenommen wird.

Die von allen gemeinsam beschlossene Stärkung des ÖPNV im neuen Nahverkehrsplan wird in diesem Jahr zum ersten Mal voll zum Tragen kommen. Jeder Euro ist hier gut angelegtes Geld.

Der Radverkehr ist eine ganz wichtige Säule und erhält endlich deutlich mehr Unterstützung. Mithilfe des IMK und des Radverkehrskonzeptes kann das veranschlagte Geld für die Planung neuer Wege sinnvoll eingesetzt werden. Wir beantragen, dass konkret mindestens 1 Mio € für den dann folgenden Radwegebau in 2021 eingestellt wurden. Der Antrag dazu liegt vor.

Wir GRÜNE sehen die Pendlerwege im Lüneburger Umfeld als vorrangig an, weil sie am effektivsten für die CO2-Minimierung sein werden. Daneben sind es die Lückenschlüsse an unseren Kreisstraßen - eine Prioritätenliste dazu liegt vor.

Wir sind aber überzeugt, dass hier zügig ein viel grundlegenderes Umsteuern von Investitionen im Verkehrsbereich nötig ist.

Millionenschwere Planungen z.B. für die Elbbrücke - ohne Sicherheiten aus Hannover und mit noch mehr Autoverkehr - gehen an der Zeit vorbei.

Wenn wir Grüne mit Sorge in die Zukunft sehen, dann ist es hier und mit Blick auf die zu befürchtenden Folgekosten und nicht etwa bei den vorhin erwähnten steigenden Personalkosten.

Der Klimaschutz insgesamt wird gestärkt durch personelle Aufstockung in der Klimaschutzleitstelle. Mit der Teilnahme am EuropeanEnergyAward erwarten wir Grüne wirklich messbare und überprüfbare Maßnahmen und Projekte. Gern hätten wir auch hier bereits eine Summe in der mittelfristigen Finanzplanung verankert. Dies wurde abgelehnt und so werden wir genau verfolgen, ob die notwendigen Schritte zur Senkung der Treibhausgase auch tatsächlich umgesetzt werden. Wir haben darüber hinaus beantragt, jährlich pauschal mindstens 1 % des Haushaltes, d.h. ca . 3 Mio € für den Klimaschutz zu sichern - auch dies wurde abglehnt.

Und das ist eben unsere Kritik: dass es bei der konkreten Verankerung im Haushalt dann doch an etlichen Stellen hapert, obwohl wir heute wieder ganz viele schöne Worte gehört haben.

Liebe Fraktionen, wir werden sie daran erinnern!

In diesem Zusammenhang muss natürlich auch die Gebäudewirtschaft erwähnt werden, denn gerade in diesem Bereich sehen Klimaexperten ein enormes Potential. Im Ausschuss für Hochbau und Energiesparmaßnahmen wird zu Letzterem regelmäßig vorgetragen. Auch hier gilt: ja, es tut sich was. Unser stets fortgeschriebenes Sanierungskonzept zeigt Wirkung, und das ist gut so. 

Dennoch: andere Kommunen sind uns weit voraus, wenn es etwa um eigene Liegenschaften geht, die anderswo bereits im Passivhausstandard errichtet werden. Es kann nicht angehen, dass wir im Zeichen des Klimanotstandes weiter um jedes Gründach, eine flächendeckende Photovoltaikanlage oder zusätzliche Ausstattung zum Energiesparen feilschen müssen!

Das ausgerechnet beim Großprojekt Arena, das in diesem Jahr noch einmal erhebliche Investitionsmittel bindet, hierzu ein so schwaches Konzept vorliegt, anstatt ein energieautarkes Vorzeigeprojekt zu entwickeln, ist ein trauriges Beispiel.

Kommen wir zum Bereich Natur- und Artenschutz. Es ergibt sich ein ähnliches Bild: die Naturschutzstiftung kommt, es wird Grunderwerb getätigt, es steht ein Projekt zur Wiederherstellung von Alleen im Raum und die Moore werden in den Fokus genommen. Alles gut und richtig und in unserem Sinne.

Wir Grüne sagen: die Anstrengungen müssen in den nächsten Jahren dennoch deutlich erhöht werden, um dem dramatischen Artensterben zu begegnen!

Ein umfassendes Alleenprogramm, Biotopverbund, sowie sorgsame Umsetzung und Überwachung von Ausgleichsmaßnahmen oder Ausweisung von Naturschutzgebieten sind dabei einige Stichworte.

Auch wenn unsere Hartnäckigkeit hier bisweilen den einen oder anderen stören mag: wir haben nun mal, genau wie beim Klimawandel, nur noch ein begrenztes Zeitfenster. Einmal ausgestorbenen Arten sind unwiederbringlich verloren!

Beim etwas weiter gefassten Thema Soziales ist es gut, dass neben den Pflichtaufgaben zumindest die meisten Projekte fortgeschrieben werden. So wird es z.B. weiterhin die erfolgreich tätigen Kulturmittler*innen geben. Auch das Projekt "Queer" kann weiter arbeiten.

Wir sind sehr froh, dass unserem nachdrücklichen Vorstoss zur Stärkung der Gleichstellungsbeauftragten gefolgt und hier ein überfraktioneller Weg gefunden wurde.

Selbstverständlich unterstützen auch wir Grüne die Entlastung der Kommunen bei den KiTas und sehen eine moderate Senkung der Kreisumlage als angemessen an, um hier in den Haushalten keine Schieflage entstehen zu lassen.

Enttäuschend ist es, wenn angesichts eines Gesamtvolumens im Haushalt von gut 300 Mio € ein Antrag unserer Bildungs-und Tagungsstätte Ostheide abgelehnt wird, in dem lediglich 10.000 € für die Fortsetzung der Sprachkurse am Wochenende für Geflüchtete benötigt werden. Wie kurzsichtig hier eine Chance vertan wird, um Sprachkompetenz und damit Integration auch in anderen Formaten als den üblichen Kursen zu ermöglichen, ist erschreckend.

Der Haushalt ist ein dickes Buch und es gäbe noch so manchen Posten aufzuführen - ich will es heute aber hierbei belassen.

Der Haushalt 2020 stellt sich ausgeglichen dar, wir machen keine neuen Liquididätsschulden, und das ist eine gute Nachricht.

Grundsätzlich sehen wir Grüne es kritisch, dass der allgemeine Schuldenstand weiter erheblich steigt und vor allem die Haushaltsreste einen so hohen Stand haben. Hier muss mehr Klarheit geschaffen werden und die Maßnahmenlisten brauchen eine detaillierte Überprüfung.

Wenn ich nun für unsere Fraktion unter dem Ganzen einen Strich ziehe und aufsummiere, bleibt es ebenso wie in Bund und Land: es ist genug Geld da, es wird nur allzuviel immer noch nach alten Mustern für die verkehrten Dinge ausgegeben.

Was heißt das nun? 

Kurz und knapp: wir Grüne wollen mehrheitlich trotz dieser Kritik die aktuellen Bemühungen unterstützen und honorieren, denn es geht immerhin in die richtige Richtung.

Wir stimmen heute mehrheitlich zu und es wird keine Ablehnung geben, aber einige Enthaltungen, denn bei aller Kompromissbereitschaft erwarten wir für 2021 deutlich mehr Kraftanstrengungen für einen echten Klimaschutzhaushalt.

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