Rede zum Lüneburger Haushalt für 2023

des Ratsherren Sebastian Balmaceda

22.12.22 –

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Sehr geehrte Ratsvorsitzende, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste und Berichterstatter.

Nicht so viele Zahlen... Diesen Rat gab mir vor der heutigen Sitzung ein erfahrener Parteifreund.

Einige müssen es dennoch sein:

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-- Eine Viertel Billion Euro betrug der volkswirtschaftliche Schaden der Klima-Entwicklung und ihrer Folgen 2021 weltweit. Eine Zahl mit 12 Nullen.

-- 33 MilliardenEuro Schaden entstanden durch die Hochwasserschäden 2021 in Deutschland.

-- Innerhalb weniger Stunden ertranken 180 Menschen in den Fluten.

-- Eine Million Arten werden in den kommenden Jahrzehnten ausgelöscht. Für immer.

Die Zahl der Klima-Folge-Toten lässt sich nicht seriös beziffern. Abertausende!

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-- 6.755 Menschen der ukrainischen Zivilbevölkerung sind bislang im Krieg gestorben, unter ihnen mehr 424 Kinder. Stand: 11. Dezember. Tendenz bekannt.

-- Zehntausende russische und ukrainische Soldaten sind schätzungsweise bislang im Krieg gefallen.

-- Statistisch nicht erhoben wird die Zahl der gequälten, gefolterten und vergewaltigten Frauen und Mädchen.

-- 6,3 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer mussten in europäische Nachbarstaaten flüchten, mehr als 7 Millionen sind innerhalb der Ukraine auf der Flucht.

-- 1.162 Orte sind ohne Strom.

-- Mehr als 1,4 Millionen Menschen in der Ostukraine haben keinen Zugang zu fließendem Wasser. Von einer Heizung ganz zu schweigen.

Die Folgen des russischen Vernichtungskrieges und die Folgen der Klima-Katastrophe machen sicher nicht nur mir Sorgen.

Noch etwas beunruhigt mich: Wir müssen demnächst in Lüneburg die ERSTE Suppen-Küche mit einem Wärme-Raum eröffnen. Für Bürgerinnen und Bürger in Not! Das habe ich aus dem kirchlichen Umfeld erfahren. Können Sie das bestätigen, Frau Oberbürgermeisterin?

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All diese Zahlen, meine Damen und Herren bereiten mir mehr Sorge als die Kredite der Stadt.

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Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute sprechen und entscheiden wir über den Haushalt der Stadt Lüneburg. Aber worüber sprechen und entscheiden wir wirklich? Über den Alltag der Bürgerinnen und Bürger. Schauen wir auf die vergangenen Sitzungswochen.

Am 24. November fand die letzte Ortsratssitzung des Jahres in Oedeme statt, gewohnt souverän geleitet von Christel John. Tagesordnungspunkt 6: Bericht der Ortsbürgermeisterin. Liebe Frau John, Sie haben gesagt: "Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass die Wege auf dem Friedhof wieder in Ordnung gebracht wurden."

Oder, ich schaue zu Philipp Meyn und Eckhard Pols, Sie sprachen es an, die gammeligen Umkleidekabinen auf dem Sportplatz Hasenburger Grund. Ich habe als Kind dort selbst gebolzt. Da wird sich nicht viel getan haben seitdem. Jetzt wird endlich renoviert, 450.000 Euro hat der Sportausschuss am am 24. November bewilligt.

Oder die 15.000 Euro für das Lunatic-Festival, eine parteiübergreifende Initiative von Andrea Kabasci, Eike Freitag und Alexander Schwake, der wir am 23. Juni hier im Rat zugestimmt haben.

Genau hier beginnt unsere Arbeit, darüber reden wir heute. Wege, Sportplätze, Kultur. Alltag der Menschen.

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Am 14. Oktober tagte der Finanzausschuss. Früh wie selten legte die Verwaltung einen Haushaltsentwurf vor. Im Protokoll der Sitzung heißt es, Oberbürgermeisterin Kalisch und Erste Stadträtin Lukoschek appellierten an die Politik: "Es muss festgelegt werden, an welcher Stelle die Bereitschaft besteht, Einsparungen vorzunehmen und die damit verbundenen Auswirkungen zu tragen."

Wir alle hatten acht Wochen Zeit. Genug Zeit, gerade in den Fachausschüssen.

Wir haben uns in der Fraktion mit den verschiedenen Teilhaushalten auseinandergesetzt, haben diskutiert, gestritten, manchmal um wenige tausend Euro, oft um mehr. Gestern Abend zum letzten Mal in diesem Jahr.

Zum Beispiel über 450.000 Euro für den Radstraßenring und 100.000 Euro für den Marienplatz. Beides Grüne Herzensprojekte, die nun auf 2024 GESCHOBEN werden. Das tut weh. Und da knirscht es auch mal innerhalb unserer Fraktion. Sie alle, die Kolleginnen und Kollegen, kennen dieses Knirschen aus Ihren Reihen.

Ja, es ist ein stetes Ringen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen uns immer wieder auseinandersetzen, um uns zusammenzusetzen.

Auf der anderen Seite sind wir froh, dass wir beispielsweise die dringend erforderlichen Maßnahmen zur Sicherheit im Radspeicher am Bahnhof mit angeschoben haben.

Wir haben in den vergangenen acht Wochen bei der Verwaltung etliche Fragen zu einzelnen Punkten gestellt.

Und immer klare Antworten bekommen.

Genau hier möchte ich kurz auf die politische Pausentaste drücken und Danke sagen. Danke für Ihre Geduld. Danke für Ihr Verständnis. Danke für Ihre Energie.

Was die Verwaltung und in den letzten Tagen vor allem auch die Kämmerei geleistet haben, ist phänomenal!

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Wir sind mit dem vorgelegten Haushalt angesichts der Gesamt-Situation natürlich nicht zufrieden. Aber wir sind einverstanden.

Unsere konkreten Änderungsvorschläge stehen -- wie ich finde -- gut begründet in unserem Änderungsantrag.

Darin fordern wir auch das, was andere Städte längst umgesetzt haben, was fachlicher Konsens ist: eine Anhebung der Anwohner-Parkgebühren. Ein Rechenbeispiel: Bei aktuell 30 Euro pro Jahr -- das sind 8 Cent pro Tag -- kalkuliert die Stadt mit 50.000 Euro Einnahmen.

Eine Anhebung der Gebühr auf beispielsweise 120 Euro würde Mehreinnahmen von 150.000 Euro bedeuten. Lüneburg bliebe damit weit unter dem, was andere Kommunen veranschlagen.

Diese Mehreinnahmen wirken sich im Ergebnishaushalt langfristig positiv auf unsere Finanzen aus.

Lassen Sie mich noch zwei Gedanken zum Thema Parken äußern:

1. Kann es richtig sein, dass die einfache Busfahrt aus beispielsweise Ochtmissen in die Innenstadt mit 2,40 Euro deutlich teurer ist als eine Stunde parken im Parkhaus am Rathaus, das kostet 1,50 Euro? Wir meinen: Nein.

2. Ein Zitat aus der LZ vom 16. Dezember zum Thema abmontierte Fahrradständer für den Weihnachtsmarkt: "Auch für LCM-Chef Heiko Meyer haben Fahrradständer keine nennenswerte Relevanz: „Das ist im Grunde egal“, sagt er. Die Leute würden ihre Fahrräder dann eben anderswo hinstellen."

Meine Damen und Herren: Wenn ich das höre, muss ich an die 80er Jahre denken: Sein Auto fährt auch ohne Wald.

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Zurück zum Haushalt:

Wo haben wir gesagt: Finger weg, keine Kürzungen?

Überall dort wo Kinder, Jugendliche und Schulen betroffen sind.

Ein kleines Beispiel: Es gibt einen unscheinbaren Haushaltsposten -- der heißt: "01-211-019 Grundschulen - Allgem. Unterrichtsräume. Neuanschaffung Mobiliar. 45000 Euro."

Damit könnte man doch ein Jahr warten? Eben nicht.

In vielen Klassen sind derzeit mehr Kinder als geplant, weil wir zum Beispiel Schüler*innen aus der Ukraine aufgenommen haben. Es kann doch nicht ein, dass nun Eltern gebeten werden, Stühle auszuleihen, weil nicht genug Mobiliar da ist. Finger weg.

Weiterhin Finger weg sagen wir überall dort, wo es um das Klima geht.

Ein Beispiel: Die Förderrichtlinie Dach- und Fassadenbegrünung, 50.000 Euro.

Damit könnte man doch ein Jahr warten? Eben nicht!

Wir haben Jahrzehnte gewartet und aufgeschoben, haben weggesehen und verdrängt.

Am 8. Juni 2021 haben wir mit allen Stimmen der Demokraten hier den Klimaschutz-Plan 2030 beschlossen -- JETZT muss er umgesetzt werden.

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Liebe Kolleginnen und Kollegen. Meine Frau und ich, wir haben keine Kinder. Aber wir haben Nichten und Neffen und Patenkinder -- zwischen 8 und 22 Jahren. Allesamt ziemlich cool und sehr liebenswert. In zwei Tagen treffen wir uns zur Familien-Weihnacht -- Sie kennen das. Da muss man sich im Kerzenschein des schiefen Weihnachtsbaumes auch mit dem ein oder anderen Thema auseinandersetzen -- und später wieder zusammensetzen.

Meinen Nichten und Neffen ist es aber dabei relativ wurscht, ob ich bei den Grünen bin. Die wollen, dass ich, dass wir uns um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine lebenswerte Zukunft kümmern.

Es ist das Thema aller Generationen.

Es ist unser aller Verantwortung.

Es ist die Frage von "Freiheit. Gerechtigkeit. Solidarität."

Ja, das sind die Grundwerte der Sozialdemokratie. Und sie sind richtig.

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Ich höre oft die Frage: Ach, was können wir denn in Lüneburg Großartiges für das Klima tun? Antwort: Richtig viel! Kommunen gehören zu den Haupt-Akteuren bei der Umsetzung von Klima-Anpassungsmaßnahmen. Zentrale Aufgaben der Daseinsvorsorge wie Verkehrswege, Abfall-Beseitigung oder Wasser-Management und wesentliche Elemente der Infrastruktur sind in unserer Hand.

Darum gilt für alle Kommunen: Handeln statt hadern.

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Richtig ist es auch, den so genannten Stellenplan unberührt zu lassen.

So genannt, weil es nicht um beliebig variable Parameter eines seelenlosen Systems geht. Es geht um Menschen, die wir dringend brauchen, damit unsere Stadt funktioniert. Das wusste auch der vorige Verwaltungs-Chef Ulrich Mädge und hat deshalb die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit 2012 in jedem Jahr um 30 bis 60 erhöht. Vernünftigerweise. Das war und ist übrigens auch eine logische Reaktion auf die stetig steigende Einwohnerzahl.

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Kommen wir zu den Defiziten. 40 Millionen, das klingt und ist viel.

Aber erinnern wir uns: 2012 haben das Land Niedersachsen und die Hansestadt einen Zukunftsvertrag geschlossen. Am Ende wurden Lüneburg 70 Millionen Euro an Liquiditätskrediten erlassen. 70 Millionen Euro.

Anlass dieses Entschuldungsvertrages war die weltweite Finanzkrise 2008, verursacht von skrupellosen Gier-Bankern.

Meine Damen und Herren! Wir haben 2022 keine Finanz-Krise.

Wir haben Krieg. Vor unserer Haustür. Er soll unsere Gesellschaft spalten.

Wenn dieser Krieg hoffentlich bald vorbei ist, dann müssen Bund und Länder ein Konsolidierungs-Paket schnüren.

Wann denn sonst?

Und dann werden wir die Konsolidierung gemeinsam angehen. Wieder. Mit aller Macht.

Ich bin froh, dass in unserem Stadtrat mit Julia Verlinden, Anna Bauseneick, Pascal Mennen und Philip Meyn gleich vier Politiker*innen aus Bund und Land vertreten sind, die das wissen.

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Wir dürfen jetzt nicht aufhören, an die gemeinsame Zukunft zu denken und in die gemeinsame Zukunft zu investieren.

Es geht heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht um Einzelpersonen, nicht um Claudia Kalisch, Andrea Schröder-Ehlers oder Monika Scherf. Es geht nicht um Ulrich Blanck oder Frank Soldan. Es geht nicht um Eitelkeiten, Parteien-Gezänk und Rechthaben.

Heute geht es um Lüneburg.

Darum eine letzte Zahl: Ich wünsche unserer Stadt, dass nachher bei der Abstimmung über diesen Haushalt möglichst alle  Hände gehoben werden.

Ich danke meiner Fraktion für das Vertrauen,

ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.

 

Gesegnete Weihnachten! Möge 2023 mehr Frieden sein, überall und hier auch.

 

 

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