Wir müssen nicht UNS retten, sondern den Planeten

Toni kam. Sah. Und begeisterte. Gut 150 BesucherInnen füllten den Kunstsaal Lüneburg in der Marie-Curie-Straße und erlebten einen exzellent vorbereiteten und unterhaltsamen Anton Hofreiter, Fraktionssprecher der Grünen im Bundestag.Toni kam. Sah. Und begeisterte. Gut 150 BesucherInnen füllten den Kunstsaal Lüneburg in der Marie-Curie-Straße und erlebten einen exzellent vorbereiteten und unterhaltsamen Anton Hofreiter, Fraktionssprecher der Grünen im Bundestag.

24.05.16 – von Oliver J. Glodzei

Toni kam. Sah. Und begeisterte. Gut 150 BesucherInnen füllten den Kunstsaal Lüneburg in der Marie-Curie-Straße und erlebten einen exzellent vorbereiteten und unterhaltsamen Anton Hofreiter, Fraktionssprecher der Grünen im Bundestag.

Anton Hofreiter zu weltweiten Erfolgen von Rechtspopulisten:"Ich kann nur dringend bitten: Verteidigt diese Demokratie."

Unter der Überschrift "Klimaschutz und nachhaltige Mobilität" bot der Bayer einen gut durchdachten und kurzweiligen Ritt durch viele Politikfelder und offenbarte so die vielen Berührungspunkte mit diesem Leitthema unserer Zeit.

Zunächst hieß Kreisvorstandssprecher Oliver Kraemer den prominenten Gast (und eine ganze Reihe geschätzter Gäste mehr) willkommen und führte in das Thema mit einem Blick auf die Entwicklung der Elektromobilität ein.

Toni nimmt den Ball auf und macht anhand des Beispiels Tesla deutlich, wohin sich die deutsche Autoindustrie entwickeln sollte, wenn sie nicht enden wolle "wie die Atomstromriesen, nachdem sie das Potenzial der Energiewende verschlafen haben. Ihr werdet's sehen: Am Ende müssen wir Grünen mit unseren Konzepten auch noch die Autoindustrie retten."

"Am Ende müssen wir Grünen noch die Autoindustrie retten"

Anton Hofreiter: "Im ÖPNV haben wir heute noch oft den 'sichtbaren Anschluss': Man sieht den Bus nur noch von hinten."

Dass und warum genau auch das ein Ziel der Grünen ist, rechnet er am "Modalsplit, dem Anteil der einzelnen Verkehrsträger an für den Personentransport pro Nase zurückgelegten Kilometern vor: "72% gehören dem privaten PKW, 8% der Bahn. Selbst wenn wir die Bahn richtig toll machen und weit nach vorn bringen und ihren Anteil sagen wir: verdoppeln, ist klar, dass wir uns nach wie vor um das Auto kümmern müssen, dass wir die alte Benzintechnologie durch Null-Emissions-Fahrzeuge ersetzen müssen, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen."

Toni arbeitet gewiss nicht mit einfachen Antworten, nicht einmal mit einfachen Fragen. Er schafft es aber immer wieder, komplexe Probleme mit ein paar federstrichartigen Sätzen so zu umreißen, dass jedeR es versteht und trotzdem weiß, dass es eben nur der Umriss eines komplexen Problems ist. Und er lässt deutlich werden, dass Bündnis 90/Grüne keine Partei für dünne Bretter ist.

"Wir hören immer wieder, dass uns Grünen die Umwelt wohl wichtiger sei als die Menschen," ruft er den Zuhörern im Kunstsaal zu, "aber wir müssen hier nicht irgendeinen Planeten retten. Wir Menschen sind es, die gerettet werden müssen."

Er schlägt einen Bogen über den übermäßigen Ölverbrauch zum islamistischen Terror, der sich auch mit freundlicher Unterstützung unseres Hungers nach Kraftstoff weltweit ausbreite. "Der Wahabismus als islamistische Ideologie wird von Saudi Arabien gezielt in alle Welt verbreitet. Die haben dafür Unmengen von Geld zur Verfügung, weil wir billiges Öl wollen und dafür bereit sind, nicht so genau hinzuschauen." Genauer hinzuschauen seien wir aber den Menschen gerade in den besonders gefährdeten Regionen schuldig.

Oliver Kraemer zu Elektromobilität: "Vielleicht ist das Problem gar nicht die Reichweite der Batterien, sondern mehr unsere Einstellung dazu."

Und weniger Öl zu verbrauchen. Er erinnerte an seinen Besuch am Nachmittag beim Car Sharing Unternehmen Cambio. "Dort sprachen wir vom Konzept der Mobilitätspunkte, an denen verschiedene Verkehrsmittel verknüpft werden. Lasst uns doch versuchen, durch intelligente Vernetzung der Verkehrsträger das große Mobilitätsversprechen des privaten PKW auf den Öffentlichen Personenverkehr zu übertragen!" Und damit den Modalsplit weiter in Richtung Klimafreundlichkeit zu bewegen.

Professor Peter Pez, Verkehrsexperte an der Leuphana fragt in der anschließenden Fragerunde freundlich herausfordernd, ob er denn wirklich empfehlen könne, für diese Ziele die Grünen zu wählen, "denn die knicken doch in den verschiedenen Regierungsbeteiligungen bei vielen Verkehrsthemen ein."

"Man erreicht nie genug von dem, was nötig wäre," seufzt Toni, "denn mit Stimmenanteilen zwischen 6 und 30 Prozent kann man nicht hundert Prozent durchsetzen. Das wäre auch nicht demokratisch muss man fairer Weise sagen." Doch daraus abzuleiten, "dass wir zu klein sind, um alles durchzusetzen und daher macht Ihr uns noch kleiner, finde ich nun auch nicht sehr logisch." Was das Publikum übrigens offenbar gut nachvollziehen kann.

Nur weil etwas schief gehen kann, kann man es ja nicht einfach sein lassen

Gut besuchter Kunstsaal Lüneburg

"Es ist aber für starke Grüne auch nötig, dass nachher genug Leute bereitstehen, die errungenen Mandate auch zu besetzen," berichtet der Bayer von seinen Erfahrungen aus dem heimischen Sauerlach und appelliert angesichts der niedersächsischen Kommunalwahl im Herbst: "Nehmt den Hintern hoch und engagiert Euch! Nur weil etwas schief gehen kann, kann man es ja nicht einfach sein lassen." Balsam auf die Seelen gebeutelter Orts- und Kreisvorstände, die sich teils gewaltig strecken müssen, um die Wahllisten ausreichend zu besetzen.

Tobias Neumann vom ADFC Lüneburg fragte nach Hofreiters Haltung zu generellem Tempo 30 in Ortschaften. "Das gehört nach meiner Ansicht in die Hände der Städte und Gemeinden," war die Antwort.

Viel Presse-Interesse beim Promibesuch im Kunstsaal Lüneburg

BUND- und Grünenmitglied Thilo Clavin fragte nach der Perspektive nach einem grünen Verkehrsminister, etwa einen Minister Hofreiter. "Man verteilt nie das Fell des Bären, bevor er erlegt ist," lautete die routinierte Antwort.

Dem Applaus nach konnte sich das Publikum mit dem Gedanken allerdings gut anfreunden. Ganz klar das Ergebnis eines spritzigen, leidenschaftlichen und hochkompetenten Vortrags eines hellwachen Anton Hofreiters in einem sehr atmosphärischen Kunstsaal Lüneburg.

"Wir entlassen Dich mit viel Applaus zurück nach Berlin," konstatierte Oliver Kraemer abschließend, "aber wir freuen uns jederzeit, Dich hier wiederzusehen." Dem konnten sich wohl die meisten Gäste anschließen.

[Edit 25. Mai 2016: Mitternächtliche Rechtschreibfehler korrigiert, neue Bilder hinzugefügt, Bildunterschriften hinzugefügt.]

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