Straßen Hindenburg und Hinrich Wilhelm Kopf umbenennen

Alfons Bauer-Ohlberg, Mitglied der Grünen Stadtratsfraktion fragt sich: Warum sollen wir nicht an den Straßennamen Hindenburg und Hinrich Wilhelm Kopf festhalten?  

20.04.15 –

alfonsAlfons Bauer-Ohlberg, Mitglied der Grünen Stadtratsfraktion fragt sich: Warum sollen wir nicht an den Straßennamen Hindenburg und Hinrich Wilhelm Kopf festhalten?

 

Die Benennung einer Örtlichkeit mit dem Namen einer Person erfolgt nach dessen Tod zur Erinnerung an herausragende Personen, die sich um die verschiedenen gesellschaftlichen Aufgaben verdient gemacht haben. Sie erfolgt zustimmend und mit hohem ethischem Anspruch in ehrender Anerkennung der Lebensleistung und seiner Wirkung. Das schließt Irrungen und Brüche in einem Lebensweg nicht aus, solche sollten jedoch durch die Person selbst bekannt und öffentlich verantwortet worden sein.

Personen, die schwere Verfehlungen begangen haben, kommen für eine solche Ehrung nicht in Frage. Wer möchte schon durch seine Adresse mit einem "bösen Buben" oder gar Verbrecher verbunden sein? Manchen Anwohnern erscheint sogar schon die Bezeichnung "Hinter …" als abträglich.

Bei einer Namensgebung sollte ein lokaler Bezug im Vordergrund stehen. Bei regional, republik- oder gar europa- oder weltweit bekannten Personen sind die Ansprüche an die gesellschaftliche Bedeutung und Integrität der Person zunehmend schärfer zu beurteilen.

Die Benennung einer Örtlichkeit nach einer Person ist ein Bekenntnis der Stadt als Institution zu deren vorbildlichem Leben und Wirkung für eine gedeihliche Weiterentwicklung unserer freiheitlich–demokratischen Gesellschaft.

 

Gerade in den heutigen unfriedlichen Zeiten kann eine Person wie Hindenburg, die eine militaristische Politik-Auffassung gelebt hat, kein Vorbild sein, an die erinnert werden soll. Die militärische Leistung Hindenburgs in der "Schlacht bei Tannenberg" war recht bescheiden, wie er selbst zugab. Vielmehr wurde diese Schlacht von der konservativen adelsgeschlechtlich begründeten Militärführung propagandistisch aufgeplustert. Nach unrühmlichem Kriegsende hat er zudem wesentlich an der sogenannten Dolchstoß-Legende mitgewirkt, deren politische Auswirkungen direkt in die NS-Diktatur führten.

Der Name dieser Person wurde zur reichsweiten Durchsetzung der NS-Diktatur vom damaligen Stadtrat Lüneburgs zur Umbenennung der bedeutsamen Gartenstraße benutzt. Die britische Besatzungsmacht machte diese Umbenennung 1945 in erzieherischer Absicht wieder rückgängig. Um den Briten Kontra zu geben, benannten 1952 die Stadträte mit der Mehrheit ihrer konservativen sowie den aus Osteuropa geflüchteten Vertretern dieselbe Straße wieder nach Hindenburg. Wohl auch als Zeichen für einen militärischen Weg zur Rückeroberung ihres Heimatgebietes.

An solch unfriedliches Gedankengut dieser Person und an die zweimalige Verwendung als politisches Symbol mag der freiheitlich demokratisch denkende Lüneburger nicht erinnert werden. Es gibt keinen direkten Bezug der Stadt zu dieser Person.

 

Die Straße des Namens Hinrich-Wilhelm-Kopf wurde im Zuge der Besiedlung von Kaltenmoor im Jahre 1967 vom Stadtrat vorgenommen. Dabei mutet merkwürdig an, den allgemeiner Meinung nach doch - bis auf seine Landrats-Absetzung durch die NS 1933 - erfolgreichen Lebensweg von Kopf dem der mutigen Personen des 20. Juli 1944, der bekennenden Kirche und einfacher Widerstandskämpfer gleichzustellen, die für Ihre ethisch schwer erkämpften Entscheidungen ermordet wurden. Aber man wusste es wohl damals nicht anders. H.W. Kopf hat sich unter den Umständen einer Diktatur am Diebstahl gegen seine Mitbürger bereichert und nicht die Kraft gefunden, diese Taten einzugestehen und dafür um Entschuldigung zu bitten. Insofern kann er nicht als Vorbild dienen, die eine friedlich demokratische Gesellschaft unbedingt braucht, damit Täter mit ihren Opfern zu einem friedlichen Ausgleich finden können.

 

Verantwortung des Stadtrates
Örtlichkeiten in unserer Stadt werden vom Stadtrat und den dort wirkenden Personen mit Namen versehen. Somit spiegelt eine Namensentscheidung immer auch die geistige Verfasstheit und ethische Grundhaltung dieses Personenkreises wider. Die gewählten Stadtvertreter nehmen in ihrem Handeln auch Stellung zu vorangegangen Entscheidungen des Gremiums. Im vorliegenden Fall ist das also ein Einverständnis mit den damaligen Absichten der Namensgebung.

Die Vertreter der sozialen Partei machen geltend, dass die Namen zur Auseinandersetzung mit dem Handeln dieser Personen in ihrer Zeit auffordern würden, was insbesondere für die Schulen gelte. Gilt das auch für alle Schüler an allen Schulen? Soll der Anlass dazu über die Namen der Täter gegeben werden? Oder nicht vielmehr über die Namen der Opfer? Ist die Gedenkens-Kultur in unserer Stadt so arm, dass wir die Namen der Täter benötigen?

Die Vertreter der sozialen Partei machen geltend, dass die begutachtende Historikerin im Fall H.W.K. keine Umbenennung empfahl: Die Entscheidung müssen die gewählten Vertreter selbst treffen, sie kann nicht abgegeben werden!

Die Vertreter der sozialen Partei machen geltend, dass die anstehende Entscheidung ein Vorbild sein könne für andere Umbenennungen: Ja, das wäre so! Und allemal besser als Schweigen! Im Übrigen war Herr Blücher Generalfeldmarschall zu Zeiten der Befreiung von französischnapoleonischer Fremdherrschaft!

Sie äußerten auch die Meinung, dass der Prozess noch nicht abgeschlossen sei, was Hoffnung macht.

Die christlichen Unions-Vertreterinnen im Ausschuss haben keine echten Argumente für die Beibehaltung des Namens Hindenburg vorgebracht. Warum also können sich die größeren christlichen und sozialen Parteien dieser Stadt nicht zu einer Umbenennung durchringen? Warum können Sie nicht ihre ideologischen Feindbilder gegeneinander wie gegen andere Parteien zurücklassen? Glauben sie, in geheimer Absprache oder stiller Überstimmung ihre jeweilige Klientel vor vermeintlichen Zumutungen bewahren zu müssen?

Angesichts des entschiedenen Handelns des niedersächsischen Landtages und der Stadt Hannover sowie der Stadt Münster auf Umbenennung kann die Entscheidung vom 14. April 2015 im Kultur- und Partnerschafts-Ausschuss nur als "provinzielle Feigheit" beurteilt werden.

 

Aktualität der Umbenennung
Gerade jetzt sollte eine Umbenennung vorgenommen werden: Heute können wir nur noch für eine kurze Zeitspanne die Aussagen der letzten Zeitzeugen der NS-Diktatur persönlich erfahren. Dazu müssen wir uns positionieren.

Im letzten Jahr 2014 wurde das 100-jährige Gedenken an den Beginn des Ersten Weltkrieges begangen, in dem und in dessen Folge die Person Hindenburg eine unrühmliche Rolle gespielt hat.

In diesem Jahr 2015 ist es 70 Jahre her, dass die NS-Diktatur mit ihren Verbrechen gegen die Menschlichkeit von Außen und nicht von uns Deutschen selbst beendet werden konnte. Dieses Gedenken bietet die Möglichkeit, bedenkliche und fehlerhafte Entscheidungen früherer Stadträte zu korrigieren und die Ehrungen der mutigen Personen des 20. Juli 1944, der bekennenden Kirche und einfacher Widerstandskämpfer wiederherzustellen. Statt des Namens eines unehrlichen Juristen bietet sich der Name des jüngst am 13.04.2015 verstorbenen Schriftstellers an, dessen Leben auch nicht ohne Brüche war, der sein Verhalten zur NS-Zeit jedoch eingestanden und verarbeitet hat.

Oder der Name eines anderen Mannes oder einer Frau, die sich für Land und Gesellschaft Niedersachsens verdient gemacht haben.

Die Umbenennungen könnte zudem ein wirksames Zeichen setzen für eine kritische Geschichtsbetrachtung an der geplanten Einrichtung einer Abteilung zur NS-Geschichte im neuen Museum Lüneburg, das wir gerade erst im März diesen Jahres eröffnet haben.

 

Alfons Bauer-Ohlberg,
Lüneburg, 19. April 2015

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