Y-Trasse: Über den Zusammenhang von Konsumgewohnheiten und Mega-Verkehrsprojekten

Die Diskussion zur Y-Trasse und deren Varianten stellt die Maxime grüner Verkehrspolitik, mehr (Güter-) Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen auf den Prüfstand. 

29.06.15 –

Y-Trasse: Über den Zusammenhang von Konsumgewohnheiten und Mega-Verkehrsprojekten

 Die Diskussion zur Y-Trasse und deren Varianten stellt die Maxime grüner Verkehrspolitik, mehr (Güter-) Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen auf den Prüfstand. Das umweltpolitische Konzept der Verkehrsverminderung bzw. -vermeidung taucht im Zusammenhang von jüngst prognostizierten Steigerungen des Güterumschlags in den deutschen Häfen um 74 % (!, Quelle: IHK) bis 2030 nur am Rande auf und wird geradezu als gottgegeben akzeptiert. Wachstumsprognosen werden allzu häufig gemacht, um Interessen zu untermauern (Beispiel: Der Güterumschlaghafen Jade-Weser-Port war 2014 nur zu 3 % ausgelastet). Das Stichwort Null-Wachstum wird dabei aus Wirtschaftskreisen regelmäßig als Schreckgespenst an die Wand gemalt.

Aus Erfahrung wissen wir: Neue Fernverkehrsstraßen ziehen neuen Verkehr nach sich. Dies gilt ebenso für neue Schienentrassen, die den Wachstumsprognosen hinterherlaufen und es den weltweiten Warenströmen leicht machen, zu expandieren. Der prognostizierte Klimakollaps bei entsprechenden Wachstumsraten im Ressourcenverbrauch wird indes stillschweigend akzeptiert, die Klimaschutzlobby ist vergleichsweise ohnmächtig und versteckt sich hinter Absichtserklärungen für sehr lange Zeiträume.

Der Trassenausbau neuer oder stillgelegter Strecken oder die Y-Trasse durch die Heide bedeuten auf jeden Fall erhebliche Eingriffe in die Lebensräume von Mensch und Natur. Ein hoher Preis, den zunächst scheinbar nur die Betroffenen an den projektierten Trassen zu bezahlen haben.

Gerne verschwiegen, weil unbequem, wird die Tatsache, dass unsere Konsumgewohnheiten direkt im Zusammenhang mit solchen Großprojekten stehen: Die Bürger sind in Konsumlaune heißt es in den Zeitungsmeldungen, der ifo-Geschäftsklimaindex wird als Gesundheitsthermometer unserer Wohlstandsgesellschaft angebetet. Durch unser aller Konsumverhalten unterstützen wir es, dass Waren so günstig wie möglich hergestellt werden, egal wo und wie sie produziert werden. Damit schaffen wir die Legitimation für die weltweiten Warenströme in den Containern (vornehmlich aus Süd- und Südostasien), die auf den (Bahn-)Trassen der Zukunft vor unserer Haustür oder durch die Heide donnern. Um den Verkehrskollaps zu verhindern, werden weiter gigantische Infrastrukturprojekte in Angriff und der Klimakollaps als potenzielle Folge in Kauf genommen.

Es ist allerhöchste Eisenbahn für eine Umkehr: immer weiter steigendes (Güter-)Verkehrsaufkommen auf Straße und Schiene lässt sich nur reduzieren, wenn wir bereit sind, auf einen Teil unseres Konsums zu verzichten und z. B. mehr Waren aus heimischer Produktion zu kaufen. Es geht einmal mehr um die jüngst von Papst Franziskus beschriebene „kulturelle Revolution“, um die Beendigung der Kultur des Wegwerfens und der ungezügelten Ressourcenverschwendung.

Der Zusammenhang zwischen Konsumverhalten und Mega-Trassen ist erkennbar. Nur im Zusammenspiel zwischen dem Engagement jedes Einzelnen bezüglich der Konsumgewohnheiten und den gemeinwohlorientierten politischen Entscheidungen jenseits von Wirtschaftsinteressen können solche Großprojekte verhindert werden.

Im Umkehrschluss: Wenn wir unser Konsumverhalten nicht ändern, können wir nicht guten Gewissens gegen Trassenvarianten vor unserer Haustür protestieren und nach dem Sankt-Florian-Prinzip auf andere Sündenböcke verweisen.

Die Grünen in Stadt, Kreis und Land stehen in der Regierungsverantwortung. Sie haben die Chance, sich auf ihre Ursprünge zu besinnen und politischen Druck auch in Berlin aufzubauen: durch vehementes und glaubwürdiges Eintreten für Alternativen zum bisherigen Wachstumsdiktat im Warenumschlags- und Wirtschaftskreislauf, damit der Kreislauf zwischen Wachstum und Umweltzerstörung durchbrochen wird. Wirtschaftskonzepte, die nicht mehr auf rein quantitatives Wachstum sondern auf qualitatives und ressourcenschonendes Wachstum setzen, sind vorhanden. Einer 74%-Wachstumsprognose hinterherzulaufen ist das Ende handlungsfähiger Politik. Fehlendes Bewusstsein und fehlender Mut der Bürger, Lebens- und Konsumgewohnheiten zu verändern, zementieren das bestehende Verschwendungssystem und ebnen künftigen (Güter-)Verkehrstrassen den Weg.

OV Grüne Lüneburg, Juni 2015

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