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17.10.10 –
von Ariane Mahlke-Voß
Wer ist Migrant? Wer legt denn eigentlich fest, bis vor wie vielen Generationen jemand eingewandert sein muss, um nicht mehr als Migrant zu gelten? Die Wiege der Menschheit befindet sich zumindest in Afrika...!
Wann ist jemand deutsch? Wenn er deutsch spricht und Bier und Currywurst konsumiert? Oder reicht 'nur' die deutsche Staatsbürgerschaft?
Über 30 Jahre lang hat keine Integrationspolitik stattgefunden. Erst seit knapp 7 Jahren wird ernsthaft daran gearbeitet. Es wurden Integrationsbeiräte eingerichtet, es wurden und werden Deutschkurse an den vhs und Sprachförderungen in den Kindergärten eingerichtet. Das Angebot ist lange noch nicht flächendeckend. Die Integrationspolitik läuft in ihrer Umsetzung gerade erst an, wir sind eher am Beginn denn am Ende, stecken quasi noch in den Kinderschuhen.
Wer dann heute von einem Ende des Multikulti spricht behindert aktiv diese gerade erst anlaufenden Prozesse!
Die deutsche Politik wird beherrscht von einer unglaublich starken Ignoranz gegenüber den Lebensumständen breiter Bevölkerungsteile.
Deutschland hat erst 2000 an der PISA-Studie teilgenommen, weil die Fachwelt absolut davon überzeugt war sofort an die Spitze aller OECD-Staaten zu gelangen und es daher nicht als notwendig erachtet hat, überhaupt teilzunehmen.
Das Ergebnis kennen wir, Deutschland befand sich im absoluten Mittelmaß. Seit 10 Jahren wird nun hart daran gearbeitet, aus diesem Mittelmaß herauszukommen. Es zeichnen sich bei allen Bemühungen aber nur geringe Erfolge ab, denn absolut ‚Spitze’ ist Deutschland nach wie vor nur beim Zusammenhang zwischen soziokulturellem Hintergrund und Bildungsgrad und bleibt beharrlich auf dieser Schlusslichtposition in Bezug auf Chancengleichheit.
Der Zusammenhang zwischen Bildungsabschluss und gesellschaftlicher Stellung, bzw. erfolgreicher Arbeitssuche ist eindeutig. Daher muss die Debatte die enge Verzahnung von Bildungspolitik und Integrationspolitik besonders berücksichtigen, was bisher noch nicht ausreichend geschieht.
Die Lage hat sich in den letzten beiden Jahren aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise für Menschen mit geringem Bildungsabschluss weiter verschärft. Gleichzeitig wird der Sinkflug des Lohnniveaus nicht durch gesetzliche Mindestlöhne aufgehalten. Das führt dazu, dass der Abstand zwischen den Erwerbstätigen mit geringem Verdienst und den Hartz IV-EmpfängerInnen schrumpft.
Dies führt zur tendenziellen Zunahme einer Diskriminierung von Arbeitslosen und Hartz IV-EmpfängerInnen, die auch schon die Kinder und Jugendlichen auf den Schulhöfen zu spüren bekommen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund.
Diese Zusammenhänge müssen in der derzeitigen Debatte wesentlich deutlicher werden, um der komplexen Problematik überhaupt gerecht zu werden. Momentan wird die Debatte vielfach reduziert auf die Themen: Beherrschung der deutschen Sprache und Religionszugehörigkeit.
Dabei wird sich einer ausgrenzenden und abwertenden Dialektik bedient, die im Rahmen einer Integrationsdebatte höchst gefährliche Folgen haben kann!
Wenn wir das als Deutsche aus unserer Geschichte noch nicht gelernt haben, scheint der Grad an Ignoranz schon einen pathologischen Wert erreicht zu haben.
Unsere Nachbarstaaten sind uns auf dem Feld der Integrationspolitik um Jahrzehnte voraus. Um von ihnen lernen zu können, muss allerdings erst einmal der stählerne Mantel der Ignoranz aufgebrochen werden, der sich hier auf viele Politikfelder ausdehnt (siehe z.B. Lagerung von atomarem Müll, S21 ohne ausreichende Bürgerbeteiligung). Die BürgerInnen haben das erkannt und versuchen mit lautstarken Protesten auf diesen sich auf viele Politikfelder ausdehnenden Missstand hinzuweisen.
Diese Debatte läuft vor dem Hintergrund eines globalen Weltenwandels ab, der seit einigen Jahrzehnten die Welt-Gesellschaft auf allen Ebenen beeinflusst. Aufgrund der Globalisierung der Wirschaft befinden sich auch die entscheidenden politischen Gremien nicht mehr auf der Ebene der Nationalstaaten. Deren Befugnisse werden zunehmend eingeschränkt.
Wir leben heute in EINER Welt-Gesellschaft, die sich u.a. bestimmt durch:
Wir sind Welt-Bürger!
Vor diesem Hintergrund trifft Sarrazin mit seiner These "Deutschland schafft sich ab" genau den Punkt, wenn man es denn so versteht, dass sich die Nationen mehr und mehr auflösen, die Grenzen immer durchlässiger werden (EU-BürgerInnen können überall wohnen und arbeiten), die politischen Befugnisse immer geringer werden.
Das liegt schlicht am Wandel der Zeit und sollte ganz einfach akzeptiert werden. Es macht überhaupt keinen Sinn das Rad der Geschichte zurückdrehen zu wollen!
Die Probleme, die sich bei uns einstellen spiegeln i.G. nur das wider, was auf der Ebene der Welt-Gesellschaft passiert. Wenn in Russland z.B. die Weizen-Ernte verbrennt, hat das Auswirkungen auf die Preise in der Welt. Wenn BP die amerikanischen Küste mit Öl verseucht, hat das Auswirkungen auf den weltweiten Umgang mit der Ölförderung. Internationale Hilfsorganisationen versuchen den Menschen vor Ort zu helfen (Überflutungen in Pakistan, Erdbeben und Cholera auf Haiti, Dürren in Afrika).
"Global denken, lokal handeln" gilt daher als grundlegendes Prinzip auf der Suche nach Lösungsmöglichkeiten für alle Probleme dieser Welt-Gesellschaft.
Bezogen auf die Integrationspolitik bedeutet dies, dass wir konstruktive, machbare, menschenfreundliche Lösungen diskutieren müssen. Die Grundlage aller Diskussion muss ein Menschenbild sein, dass den Menschen als Welt-Bürger versteht und seinen Wert an-sich anerkennt. Die Lösungen müssen die Kultur- und Religionszugehörigkeit berücksichtigen, ohne diese zu WERTEN!
Wir dürfen unsere Verfassung nicht mit Füßen treten, indem Menschen diskriminiert werden, die einer bestimmten Schicht, Religion oder Kultur angehören!
Wir dürfen niemanden zwingen, sich einer - wie auch immer zu definierenden deutschen Kultur - zu unterwerfen!
Es ist illusorisch zu glauben, man könne jemanden zwingen etwas zu lernen. Der Lernende muss sich dafür öffnen und die neuen Inhalte in sein System lassen. Nur er selbst bestimmt also, welche Inhalte er mit welcher Konnotation an das schon vorhandene Wissen koppelt und damit ‚lernt’ und was nicht! Aus demselben Grund kann man niemanden zwingen, sich zu integrieren. Und zwangsweise assimilierte Menschen werden sich kaum konstruktiv einbringen!
Damit die Menschen sich integrieren können, müssen wir Strukturen aufbauen und vorhalten, die die Menschen dazu einladen zu uns zu kommen. Sie müssen z.B. kostenlose Deutschkurse und Kindergartenplätze für alle vorfinden.
WENN die Strukturen aufgebaut sind wäre es durchaus sinnvoll nur solche Kinder einzuschulen, die Deutsch sprechen und verstehen können. Es besteht in diesem Bereich im übrigen auch sehr viel Förderungsbedarf bei deutschen Kindern ohne Migrationshintergrund!
Vor dem Hintergrund des demographischen Verlaufs sind wir darauf angewiesen, dass viele junge Menschen sich hier wohlfühlen und leben möchten. Momentan ziehen seit vielen Jahren gerade die gut ausgebildeten jungen Menschen ins Ausland (Brain-Drain), weil sie hier nicht mehr die Bedingungen vorfinden, die sie zum Bleiben bewegen würden (z.B. genügend Arbeitsplätze und eine ausreichende Bezahlung der Erwerbstätigkeit).
Wir müssen den Menschen, die hier leben wollen, das Gefühl geben willkommen zu sein. Das können wir nur durch Wertschätzung erreichen. Erst dann fühlen sie sich motiviert, Verantwortung übernehmen zu wollen und sich aktiv und konstruktiv in die Gesellschaft einzubringen.
Wenn Menschen sich dazu entschließen hier leben zu wollen, haben sie sofort die Verpflichtung, sich an unsere Gesetze zu halten. Wir müssen ihnen aber auch Rechte geben, denn nur dann haben sie überhaupt die Chance sich als wertgeschätztes Mitglied der Gesellschaft zu fühlen!
Eine möglicher Baustein dazu stellt das aktive und passive kommunale Wahlrecht für Alle dar. Dort, wo ein Mensch aktiv mitbestimmen darf, fühlt er sich willkommen und zuhause. Die Kommune ist der Ort, an dem Mitbestimmung am deutlichsten sichtbar wird.
Daher haben wir vor einem Jahr einen entsprechenden Antrag gestellt, der jetzt im Integrationsbeirat bei zwei Nein-Stimmen der CDU verabschiedet wurde und nun im Rat und Kreistag beschlossen werden wird.
Wir setzen mit dieser Resolution als Kommune ein Signal für eine menschenfreundliche, offene und konstruktive Integrationskultur und hoffen, dass uns viele nachfolgen werden.
Sind die Voraussetzungen für ein kommunales Wahlrecht für Alle geschaffen, werden die nächsten logisch zwingenden Schritte in Richtung auf eine Ausdehnung des Wahlrechts auf alle Ebenen wesentlich einfacher zu erreichen sein.
Ariane Mahlke-Voß, Sozialpolitische Sprecherin der Stadtratsfraktion
Um Anmeldung zum Erhalt des Teilnahmelinks wird unter torsten.franz@ gebeten gruene-lueneburg.de
Mitgliederöffentlich. Anmeldung unter sprecher@ erbeten. gruene-lueneburg.de
Mehr Bahn statt Autobahn. Investitionen für eine klimagerechte Infrastruktur.
mit Julia Verlinden (MdB)
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